Transparenter Deckelpokal mit Wappen.

Mai 2021

Gläser für Bremen

Von Dr. Uta Bernsmeier

In der Sammlung des Focke-Museums – Bremer Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte nimmt das Glas einen herausragenden Platz ein. Dieses Konvolut spiegelt die europäische Glaskunst vom Mittelalter bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts wider. Zwischen den Kostbarkeiten aus fünf Jahrhunderten finden sich auch Gläser mit bremischem Bezug. 

Die Glasherstellung in Hüttenbetrieben konnte im Bremer Stadtgebiet und seiner waldarmen Umgebung nur eine untergeordnete Rolle spielen. Mit dem mangelnden Holz fehlte der wichtigste Rohstoff, der zur Feuerung der Öfen und zur Gewinnung von Pottasche als wichtiger Grundsubstanz diente. Das 1570 erstmalig urkundlich erwähnte Glaseramt war wohl ein Zusammenschluss von Handwerkern, die sich als Glasmaler in Bremen niedergelassen hatten. Seit Mitte des 18. Jahrhunderts konnten die Bremer qualitätsvolle Hohlgläser aus einer Hütte beziehen, die quasi vor der „Haustüre“ gelegen war. Im Lauensteinischen Osterwald bei Hameln war eine „Weiße Feinglashütte“ etabliert worden, deren Erzeugnisse mit ihrer strahlenden Klarheit vor denen aus böhmischen Hütten nicht zurückstehen mussten.

Freilich war der Bedarf an repräsentativem gläsernem Tafelgerät schon in den früheren Jahrzehnten groß. Die Ratsherren und vornehmen Bremer Familien deckten ihn mit Erzeugnissen aus weit entlegenen Produktionszentren. In den Sammlungen des Focke-Museums befinden sich zahlreiche Pokale aus dem frühen 18. Jahrhundert, hergestellt in sächsischen, brandenburgischen und böhmischen Hütten, in Auftrag  gegeben vom Schütting oder dem Rat der Stadt; entsprechende Nachweise geben die Schnittdekore auf den Gläsern selbst. Sie sind mit dem Bremer Stadtwappen dekoriert, häufig ergänzt um Losungen wie: VIVAT AMPLISS.SENATUS, FLOREAT RES PUBLICA BREMENSIS oder schlicht VIVAT BREMEN.

Transparentes Glas mit Verzierungen.
Kelchglas mit Wappen der Familien Post und Voigt, Dresden vor 1718
Transparenter Deckelpokal mit Wappen.
Deckelpokal mit Familienwappen von Mitgliedern der Konsumtionskammer und Bremer Stadtwappen, Zechlin, zwischen 1742 und 1745

Besonders reichen Schnittdekor zeigen Gläser, die im Auftrag Bremer Bürger entstanden. Vermutlich zur Hochzeit von Simon Post und Engel Voigt im Jahre 1692 entstand in der Dresdner Hütte ein Kelchglas mit den Wappen der beiden sich verbindenden Familien. Diese sind in üppige Rankenkartuschen eingebettet. Zwischen den Wappen ist die Inschrift zu lesen: ES LEBE SIMON POST UND ENGEL POST: GEBOHRENE VOIGTS. Eine nicht weniger prachtvolle Arbeit begegnet uns in einem Deckelpokal; der zwischen 1742 und 1745 von den fünf Mitgliedern der Bremer Konsumptionskammer in Auftrag gegeben worden ist. Er wurde im brandenburgischen Zechlin, in einer der besten Hütten der damaligen Zeit gefertigt. Bei dieser Hütte handelte es sich um ein privatwirtschaftliches Unternehmen des Amtmannes Siegfried Stropp, das freilich vom Landesherrn mit Privilegien, einem langen Pachtrecht und zahlreichen Aufträgen unterstützt wurde. Bei den Pokalen für den Potsdamer Hof handelt es sich um große, wohlproportionierte Gläser mit Vergoldungen, facettierten Knäufen und eingestochenen Luftblasen.

Auch der Pokal der Bremer Konsumtionskammermitglieder besitzt diesen repräsentativen Charakter. Die Aufgabe des auf befristete Zeit gewählten Gremiums bestand in der Verwaltung der seit 1665 auf bestimmte Nahrungsmittel und Verbrauchsgüter erhobenen Steuern, die zur Verteidigung der Stadt dienten. Es war ein repräsentatives Amt, dessen Würde die Inhaber mit der Gravur ihrer Familienwappen unterstrichen. Fünf Wappen sind also auf der konischen Kuppa des Glases platziert: Zentral und sehr groß ist das des Vorsitzenden Dr. Henrich Gerhard Schumacher hervorgehoben. Das Wappenmotiv eines nackten bärtigen Mannes mit einem Zweig und einem Pinienknauf in den Händen wiederholt sich in der prachtvollen Helmzier. Dieses Mittelmotiv wird flankiert von den kleineren Wappen der vier Schlüsseldeputierten: links die von Eltermann Hermann Jacobs und Eltermann Heinrich Rouwe; rechts die von Eltermann Nicolas Steineken und darunter das von Johann Ölrichs.

Drei dieser Wappen sind redend, ihre Darstellungen verbildlichen also Bedeutungen, die aus den Familiennamen abgeleitet sind. Im Wappen von Nicolas Steineken ist dem norddeutschen Diminutiv von Stein entsprechend ein kleiner Mühlstein abgebildet. Das Motiv des „Wilden“ Mannes bezieht sich auf das „Raue“, das im Namen Heinrich Rouwes enthalten ist und bei den Zweigen im Ölrich-Wappen handelt es sicherlich um Ölzweige, die auf den Familiennamen anspielen.

Allen, die mehr über die Glas-Sammlung des Focke-Museums wissen möchten, sei der Band „Glaskunst aus fünf Jahrhunderten“ von Dr. Uta Bernsmeier empfohlen. Sie stellt in dem reich bebilderten Band 167 herausragende Exponate, vom mittelalterlichen Becher bis zu den farbenfrohen Vasen venezianischer Gestalter aus den 1960er-Jahren, vor.  Die Aufnahmen der Fotografen  Martin Luther und Dirk Fellenberg bereiten dem Glas die große Bühne. Der Band ist im Shop des Focke-Museums für 29 Euro erhältlich.