Zum 150. Geburtstag des Dichters

Warum Hugo von hofmannsthal Bremen besuchte

Von Alexandra Albrecht

Am 1. Februar 2024 jährte sich der Geburtstag von Hugo von Hofmannsthal zum 150. Mal. Als Mitbegründer der Salzburger Festspiele und Autor des „Jedermann“ ist er unvergessen, ebenso als Librettist Richard Strauss‘. Gemeinsam erschufen sie die Opern „Elektra“ (1909), „Der Rosenkavalier“ (1911), „Ariadne auf Naxos“ (1912), „Die Frau ohne Schatten“ (1919), „Die ägyptische Helena“ (1928) und „Arabella“ (1933), Werke, die bis heute zum Kanon des Musiktheaters gehören. Sieht man einmal vom „Jedermann“ ab, werden seine Stücke, darunter „Der Schwierige“ und „Der Unbestechliche“, allerdings nur noch selten aufgeführt.

Der gebürtige Wiener veröffentlichte schon mit 16 Jahren unter dem Pseudonym Loris erste Gedichte und wurde trotz seines jungen Alters in den Kreis des Jungen Wien um Arthur Schnitzler, Hermann Bahr, Richard Beer-Hofmann und Felix Salten, um nur die wichtigsten Namen zu nennen, aufgenommen. Als Dichter, Lyriker, Dramatiker, Librettest und Essayist setzte er sich mit der europäischen Tradition auseinander und entwickelte auf dieser Grundlage eine moderne Ästhetik des Fragmentarischen und Skizzenhaften. In seinem „Chandos“-Brief formulierte er zudem eine radikale Sprachskepsis, die den Text zu einem Manifest der Moderne machte.

Magda Pauli gehörte der Goldenen Wolke an, die Kontakt zu Hugo von Hofmannsthal hielt. (c) Focke-Museum
Das Porträt des Dichters wurde 1910 aufgenommen (c) Nicola Perscheid/Wiki gemeinfrei

An dieser Stelle wollen wir daran erinnern, dass der viele Brieffreundschaften und Kontakte pflegende Hugo von Hofmannsthal auch Verbindungen nach Bremen besaß. Im Jahre 1900 lernte er in München den aus der Hansestadt stammenden Herausgeber der Literaturzeitschrift „Die Insel“, Alfred Walter Heymel, und den Dichter Rudolf Alexander Schröder kennen. In ihrer biografischen Schrift „Die Goldene Wolke“, veröffentlicht unter dem Pseudonym Marga Berck, erinnert sich Magda Pauli, Ehefrau des legendären Kunsthallen-Direktors Gustav Pauli, an einen Besuch des Künstlers in ihrem Haus: „In unserer Wohnung an der Parkallee, in den behaglichen Zimmern, die so voller Arbeit und Freude an der Kunst waren, hörten wir ihm zu, wie er las, immer Neues las, mit jener schönen, sich mehr und mehr aufschließenden Bereitwilligkeit des Spendens. Und es lagen noch Glanz, Wehmut, und die edle Zucht seiner Worte über uns allen, als ich den Bann lösen mußte, zur Hausfrau bestellt, und zu Tische bat“.

Die Goldene Wolke war ein Lesekreis, den Rudolf Alexander Schröder und Alfred Walter Heymel, Gründer des Insel-Verlages, in Bremen ins Leben gerufen hatten, um das geistige Niveau der Gesellschaft zu heben. Schröder benannte den Kreis nach Goethes „Torquato Tasso“. Neben dem Ehepaar Pauli gehörten die Familien v. Kapff, Gildemeister, v. Hammerstein, Tewes und viele mehr der Runde an, in der man sich mit neuer Kunst und Literatur beschäftigte. Seine Mitglieder waren es auch, die Gustav Pauli den Rücken stärkten bei umstrittenen Ankäufen für die Bremer Kunsthalle wie dem „Mohnfeld“ von Vincent van Gogh.

Paulis Ehefrau übergab dem Focke-Museum ein Album mit Fotos der Männer und Frauen, die der Goldenen Wolke angehörten. Dieses wird in der kommenden Sammlungsausstellung, die 2026 eröffnet werden soll, präsentiert. Denn die Goldene Wolke ist ein für Bremen exemplarisches gesellschaftliches Netzwerk, das auf der Basis beruflicher und privater Kontakte dem Wohle der Stadt diente, wovon vor allem Gustav Pauli und die Kunsthalle profitierten. Die Offenheit für neue Kunst und Literatur sprach sich bis Berlin herum, dort rief der Kunsthistoriker und Schriftsteller Julius Meier-Graefe eine Art Dependance ins Leben. In Bremen erlosch das Licht der Goldenen Wolke mit dem Ersten Weltkrieg.   

Auch in der zum 150. Geburtstag Hugo von Hofmannsthals erschienenen Biografie, der ersten überhaupt, wird die Freundschaft des Österreichers mit Heymel und Schröder thematisiert. Heymel band ihn an die „Insel“ und versicherte dem Künstler immer wieder seine Freundschaft. Hofmannsthal verkehrte gerne mit dem Verleger und Schriftsteller und nahm mit Freuden an dessen luxuriösem Lebensstil teil. Doch die ewigen Freundschaftsbekundungen des Dandys nervten ihn irgendwann so, dass er den Kontakt abbrach, so zu lesen in „Grenzenlose Verwandlung. Hugo von Hofmannsthal“ von Elsbeth Dangel-Pelloquin und Alexander Honold. Die Beziehung zu Rudolf Alexander Schröder war weitaus inniger, „Rudi“ war in der ganzen Familie beliebt. Beide versicherten sich immer wieder, wie wichtig der Andere für ihr Leben, ihre Arbeit sei. So ermunterte Hofmannsthal den Freund, weiterhin Oden zu schreiben, die allgemein als überholt kritisiert wurden. Selbst politische Unstimmigkeiten entzweiten die Beiden nicht, auch nicht, als Hofmannsthal sich von Schröders deutschem Chauvinismus distanzierte.

Die Bremer Freundschaften nehmen in der fast 900 Seiten langen Biographie natürlich nur einen kleinen Raum ein. Wer sich über Hugo von Hofmannsthal und das Geistes- und Kulturleben Österreichs und Deutschlands um 1900 informieren möchte, ist hier bestens bedient. Denn ebenso kenntnisreich wie detailliert wird hier die Ideengeschichte einer Epoche und ihre künstlerische Ausgestaltung aufgefächert.  

Elsbeth Dangel-Pelloquin/Alexander Honold: „Grenzenlose Verwandlung. Hugo von Hofmannsthal – Biographie“, S. Fischer Verlag, 58 Euro